Bericht über den

Fachtag 2022

In Hoffnung und Trauer

02. März 2022

Frau Haller empfing ab 9 Uhr alle ankommenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer herzlich und lud zum Austausch ein. Zur Einstimmung startete der offizielle Teil mit Musik von Mike Schweizer am Saxophon. Um 10 Uhr begrüßte Susanne Haller, die Leiterin der Elisabeth Kübler-Ross Akademie alle Anwesenden. Mit einem Blick gen Osten, sei der Fachtag zu Hoffnung und Zuversicht geradezu unheimlich passgenau. Nach zwei Corona-Jahren brauche es nun erst Recht Stärkung, Inspiration und Gelassenheit für die Care-Teams und die Trauerbegleiter*innen.

Susanne Haller schloss die Begrüßung mit den Worten ab:

„es ist okay und ihr seid okay, wenn ihr mit all dem nicht okay seid!“

Susanne Haller beim Fachtag 2022

Vorträge

Vortrag #1: Zuhause sein in der Hoffnung – Hoffnung als palliativer Raum – Möglichkeiten und Grenzen des Konzepts Hoffnung von Dr*in Diana Staudacher

Frau Dr. Staudacher hat mit ihrem wunderbaren Vortrag zu einer hoffnungsförderlichen und hoffnungsstarken Alltagskultur aufgerufen: Lassen Sie uns Respekt haben vor der Hoffnung eines jeden Menschen!

Aber wie kann das gelingen? Wie entsteht Hoffnung? Wie kann ein Raum der Hoffnung eröffnet werden? Wie können wir Zuhause sein in der Hoffnung? Wie ist stellvertretende Hoffnung zu verstehen? Anhand dieser Fragen hat uns Frau Dr. Staudacher das „Konzept Hoffnung“ vorgestellt. Lassen auch Sie sich von der Vision inspirieren! Wir möchten Ihnen noch etwas mehr davon berichten:

Wer hofft, öffnet sich mit freiem und alternativlosem Denken der Welt. Mit hoffnungsstarkem Denken kann die Gegenwart durchbrochen werden und damit wieder Sicherheit wachsen in unsicheren Lebenszeiten und Situationen.

  • Hoffnung ist eine innere Ressource.
  • Hoffnung ist eine soziale Ressource, wenn sich Beziehungsmomente mit Hoffnung füllen
  • Hoffnung ist eine spirituelle Ressource und Kraft.

Allerdings ist Hoffnung nicht angeboren. Wie wir individuell hoffen können ist abhängig von Bindungserfahrungen und somit in sehr frühen Kindheitsjahren verwurzelt (Security priming). Entsprechend der individuellen Erfahrungen bilden sich Nervenzellnetzwerke sehr früh aus, welche uns dann das Leben lang prägen. Wenn als (Klein-)Kind Umhüllungserfahrungen gemacht werden, ist die Fähigkeit auf Hoffnung in die Zukunft angelegt. Auf dieser Basis wird das eigene Selbstkonzept aufgebaut mit Blick in die Zukunft auf Pläne, Ziele, Vorfreude, etc. .

Jedoch haben nicht alle Menschen hoffnungsnährende Erfahrungen verinnerlicht. Trotzdem können Sie in schweren Lebenssituationen von Mitmenschen hoffnungsvoll unterstützt werden: durch „stellvertretende Hoffnung“! Die Mitmenschen eröffnen durch ihren sensiblen, respektvollen und bewahrenden Umgang mit der betroffenen Person einen Raum der Hoffnung, ein Hilfs-Ich. Dadurch wird das Bindungssystem der betroffenen Person aktiviert, das Angstsystem verliert seine Eigenmacht, das Ich und das Welterleben ist wieder spürbar für die betroffene Person und Geborgenheit kann entstehen. Ist das nicht ein wunderbarer Aspekt? Auf diese Weise kann auch stellvertretend für Menschen gehofft werden, welche selbst nicht mehr hoffen können – zum Beispiel aufgrund einer palliativen Situation. So kann sich Unsicherheit wieder in Richtung Sicherheit bewegen und das Gefühl des Alleinseins weicht einem Gemeinsam. Wir brauchen Hoffnung, denn die nackte Realität kann eine große Gefahr sein.

Vortrag #2: Resilienz im Erleben von trauernden Angehörigen in Zeiten von Corona von Dr*in Carmen Birkholz

Der vorausgegangene Vortrag gab Frau Dr. Birkholz immer wieder Anknüpfungspunkte für das Erleben der Resilienz in Zeiten der Pandemie-Krise. Mit den Worten von Robert Louis Stevenson: „Es geht im Leben nicht darum, gute Karten zu haben, sondern mit einem schlechten Blatt ein gutes Spiel zu machen“ verdeutlichte sie die Möglichkeiten zur Handhabbarkeit der Krise. Zuerst betonte Frau Dr. Birkholz in Ihrem Vortrag wie durch die in Kraft getretenen Corona-Maßnahmen im Frühjahr 2020 die deutsche Hospizbewegung plötzlich keinen Zugang mehr zu den wichtigen Sterbeorten erhalten hatte und unter Schock stand. Es fanden auch erst mal keine Trauerbegleitungen statt. Erst die Aufrufe beispielsweise #traueristsystemrelevant vom Bundesverband Trauerbegleitung e.V. habe die elementare Arbeit – gerade in Krisenzeiten – wieder hervorgehoben und führte mit viel Kreativität zu neuen Formaten in der Trauerbegleitung. Frau Dr. Birkholz stufte diese Erfahrung mit dem Begriff der „Untergeordnete Trauer“ ein.

Auch die vielfältigen Erfahrungen aller in der Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen beteiligten „Caregiver“ und Angehören sind wichtige Erfahrungen, die gehört werden müssen. Das Projekt „Care & Corona“ (Broschüre Care & Corona zum Download: https://www.hospiz-veronika.de/aktuelles/aktuelles/aktuelles-detail/broschuere-care-corona/) hat die Erfahrungen in 10 Leitsätze der Begleitung zusammengefasst. Zudem können sich Betroffene bis heute bei Dr. Birkholz für ein narratives (erzählendes) Interview für die Studie „Trauererfahrungen von Angehörigen von Menschen in Isolation während der Corona-Pandemie“ melden. Im Zentrum des Forschungsvorhabens stehen die Erfahrungen und das Erleben als Angehörige/Angehöriger oder Freundin/Freund eines Menschen, der in Isolation gestorben ist. Die Studie hat das Ziel, die Trauererfahrungen in Pandemiezeiten besser verstehen zu können und Ideen für Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene zu entwickeln. Ein Weg um die gemachten Erfahrungen besser verstehen zu können – ein wichtiger Schritt für die Resilienz.

Nach zwei bereichernden Vorträgen gingen die Zuhörer*innen in eine verdiente und sonnige Mittagspause. In der Akademie wurden wir mit einem feinen Buffet vom Kulturwerk verwöhnt. Frisch gestärkt machten wir uns auf in die vier Foren des Nachmittags:

Foren

Forum 1

Forum 1: Achtsamkeit und Hoffnung“ mit Susanne Haller und Barbara Strohal

„Hoffnung ist ein Prozess bei dem die Menschen sich bestimmte Ziele vornehmen, die Motivation haben für die Erreichung dieser Ziele sich zu engagieren sowie ihre Fähigkeiten einsetzen, um die Möglichkeiten für deren Umsetzung zu entwickeln.“

Das Arbeitsblatt zu den eigenen Stärken aus dem Forum finden Sie hier. Dieses Zitat vom Hoffnungsforscher Charles Richard Snyder verdeutlicht, dass Hoffnung ins Handeln hinein motiviert. Hoffnung und Achtsamkeit sind ein „Perfectmatch“. Jede Achtsamkeits-Meditation ist eine Übung für die Hoffnung. Mit kleinen Achtsamkeitsübungen im Arbeitsalltag als „Innehalten als Teil der Arbeit“ schaffen wir uns eine Sinnhaftigkeit des Augenblicks und sind uns im gegenwärtigen Moment bewusst.

Das Forum beendeten wir mit einer Achtsamkeitsübung, die die Teilnehmenden in einer hoffnungsvollen Stimmung in die Pause entließ.

Forum 2

Forum 2: Trauerbegleitung in Zeiten von Corona – Wie kann die Balance von Mut, Kreativität und Verantwortung gelingen? Mit Carmen Birkholz und Martina Reinalter

Wie haben wir Corona erlebt? Frau Dr. Birkholz lädt ein, uns anhand einer Landschaftskarte zu verorten: Gratwanderung – Nebel –schöner Felsen – Nah am Wasser – Kletterwand – über Stock und Stein – und vieles andere. Es gibt Raum für unsere Corona – Geschichten. Dann die Frage: Welches ist Dein Wort in Zeiten von Corona? Mut – Verantwortung – Kreativität. Wir schreiben „Elfchen“ zu unserem Wort. Frau Dr. Birkholz und Martina Reinalter lesen einige der Elfchen aus dem Chat vor – es ist berührend, tief, heilsam. Dann erneut die Verortung in der Landschaft. Es hat sich verändert – mehr Leichtigkeit, mehr Mut, mehr Hoffnung. Mut, Verantwortung und Kreativität ummanteln die Angst, nehmen ihr die Dominanz. Wir gehen gestärkt und bereichert zurück ins Plenum.

Mut
hilft mir
alles einmal auszuprobieren
was bisher undenkbar war
Dankbarkeit
Forum 3

Forum 3: Die Tücken und Chancen der verschiedenen Trauerperspektiven mit Mehrnousch Zaeri-Esfahani und Elena Stürmer

In unseren knapp zwei Stunden haben wir eine Reise mit Adler und Eisvogel, einem Olympioniken und viel Familie gemacht. Wir waren in Kamerun, in Benin, im Iran und in Mekka. Wir durften Zarathustra und dem Yaldafest begegnen. Wir haben die Vorzüge einer relational orientierten Gesellschaft kennengelernt. Wir haben mit einem Blick auf den Islam den Kreis zu Frau Staudachers „innerem Du“ geschlossen. Zu guter Letzt haben wir den Mut gefunden, uns der Tücke unserer eigenen Perspektive auf Trauer zu stellen und uns vorgenommen uns zukünftig mehr treiben zu lassen, einfach zuzuhören und die Geschichten von Mehrnousch nachwirken zu lassen.

Forum 4

Forum 4: Möglichkeiten der Begegnung – Wenn Kommunikationswege eingeschränkt oder nicht möglich sind. Gehörlosigkeit; Muttersprachlichkeit. Mit Sabine Egg und Birgit Bährle

Zum Einstieg zeigte Frau Egg einen Kurzfilm der die Fragen stellt: „Wo kommen wir her – wo gehen wir hin?“, „Warum sterben wir?“, „Was ist der Sinn unseres Todes?“, „Ist der Tod wirklich das Ende?“

Kulturen und Religionen beschäftigen sich von jeher mit all ihrer Unterschiedlichkeit und Individualität mit einem Thema, das uns Menschen verbindet: Krankheit, Sterben, Tod und Trauer. Kulturen geben uns Menschen Halt und Orientierung – Trost und Hoffnung, vor allem in belasteten Zeiten.

Orientierung in Kommunikation geben neben Sprache auch Gestik und Mimik, in der Verständigung mit gehörlosen Menschen besonders bedeutend. Deren Sprache, deren Muttersprache, ist übrigens nicht international, sondern genauso von Dialekten durchwachsen und gleichwohl eine eigene und gemeinsame Kultur.

Im Forum wurde ganz konkret über die Praxis in der Verständigung mit gehörlosen Menschen gesprochen, vom Erlernen der Sprache, über Hilfsmittel, bis hin zu Verständigungsmöglichkeiten, wenn Menschen zu schwach sind, ihre Hände für Sprache zu benutzen.

Ein heiterer Abschluss des Forums war das Ausprobieren des Lippenlesens mit gar nicht so schlechter Trefferquote. Frau Egg hat aber auch gut gesprochen – mit Ton und ohne Ton!

Um viertel nach vier trafen sich alle wieder im Plenum und tauschten sich über die Inhalte der Foren aus. Es wurde zum Abschluss des Tages viel gelacht und alle Teilnehmer*innen und Veranstalter konnten um 17 Uhr hoffnungsvoll in den Feierabend gehen.

Ein herzliches Dankeschön an den ruhigen, verlässlichen und dieses Jahr auch vertrauten Support von madmusic – danke Philipp, Marvin und Marius!

Danke Mike, dass du die richtigen Töne triffst!